Schloß Beaumesnil

Hans Fürstenberg und Schloß Beaumesnil
Hans Fürstenberg war der Sohn des Bankiers Carl Fürstenberg und der Daniela Natanson. Nach dem Abitur 1908 studierte er in Berlin und München und machte ab 1910 in der Berliner Handels-Gesellschaft (BHG) eine Banklehre, die ihn 1912 bis 1914 auch nach London und Paris führte. Fürstenberg konnte dank seines großen Privatvermögens schon in jungen Jahren eine bibliophile Büchersammlung aufbauen. Er war auch publizistisch und wissenschaftlich auf diesem Gebiet tätig. 1914–1915 war er Kriegsfreiwilliger Soldat im Ersten Weltkrieg und mit dem EKI ausgezeichnet. Ab 1915 wurde er bis Kriegsende 1918 in der Bankabteilung des deutschen Generalgouvernements im besetzten Belgien in Brüssel eingesetzt, wo er mit Hjalmar Schacht, Willy Dreyfus und Paul von Mendelssohn-Bartholdy zusammenarbeitete.

Ab 1919 fungierte er nach dem teilweisen Rückzug seines Vaters als einer der Geschäftsinhaber der BHG und baute das Firmenkreditgeschäft aus. Wie sein Vater wurde er Mitglied in der Gesellschaft der Freunde. Auch nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 war er noch von 1935 bis 1937 Mitglied im Verwaltungsrat der BHG und vertrat diese in 25 Aufsichtsräten.[1]

Als Jude musste er 1936 emigrieren und zahlte dafür die Reichsfluchtsteuer, konnte aber seine Bibliothek mit 16.000 Bänden mitnehmen. 1938 kaufte und bezog er das Renaissanceschloss Beaumesnil in der Normandie. Seine Sammlung von 800 Erstausgaben der Weimarer Klassik stiftete er 1938 Bibliothèque nationale de France (BnF). Nach Kriegsausbruch 1939 organisierten er und der Bibliotheksdirektor Julien Cain eine Teilauslagerung der Bestände der BnF nach Beaumesnil. Auch Bestände der Archives nationales und das Privatarchiv des belgischen Königs waren dorthin in Sicherheit gebracht worden, als nach der deutschen Besetzung Frankreichs 1940 der militärische Archivschutz der Wehrmacht die Archivbestände nach Paris zurückschaffen ließ. Der Archivar und Oberkriegsverwaltungsrat Georg Winter wies Gerhard Utikal vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) auf die Bibliothek Fürstenbergs hin, die daraufhin offenbar größtenteils vom ERR in die Zentralbibliothek der Hohen Schule der NSDAP (ZBHS) überführt wurde, wobei die Provenienz vertuscht wurde. Der Bibliothekar Walter Grothe veröffentlichte noch 1950 eine Arbeit über Wiegendrucke der Zeitenwende, die vornehmlich Fürstenbergsche Sammlungsstücke besprach,ohne die Herkunft preiszugeben.[1]

Nach der Befreiung 1945 war aus den Beständen der ZBHS in Annenheim und Schloss Tanzenberg ein Teil der Sammlung Fürstenbergs verschwunden. Fürstenberg kommentierte das später damit, dass wohl ein kenntnisreicher Bücherdieb am Werk gewesen sein muss, der sich mehrere der eigentlichen „Perlen“ herausgeklaubt hat.[1] Fürstenbergs Bücherspende an die Bibliothèque nationale de France konnte vor den Nachforschungen des deutschen „Bibliotheksschützers“ Hermann Fuchs erfolgreich verborgen werden.
Fürstenberg wurde in Frankreich von der Gestapo verfolgt, floh 1940 in die Schweiz und entging damit dem Holocaust. Er kehrte 1945 nach Beaumesnil zurück, wo er nun daranging, die Lücken in den Sammlungsbeständen aufzufüllen. Er war Mitglied der Gesellschaft der Bibliophilen, des Grolier Club und der Maximilian-Gesellschaft.

Das Schloß
Das heutige Schloss Beaumesnil ist einzigartig in Frankreich, vergleichbar nur mit der Fontaine Médicis und dem Hôtel de Sully in Paris. Das eigentliche Schloss besteht aus einem Hauptgebäude, das von zwei kleineren Pavillons flankiert wird. Froelicher veränderte die Pavillons im 19. Jahrhundert, so dass sie mehr dem Klassizismus entsprachen. Ihr heutiges Aussehen verdanken sie Henri Jacquelin, einem normannischen Architekten, der in Évreux geboren wurde und auch die Burg Hattonchâtel restaurierte. Er ließ die Pavillons um 1921 erneut mit Skulpturen versehen. Das Hauptgebäude besitzt vier Etagen, Keller, zwei Wohnetagen und Dachgeschoss. Es ist nicht genau nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet, die Vorderfront liegt ungefähr in Richtung Westen.

Die Fenster sind mit Säulen und Pilastern umgeben. Über den Fenstern befinden sich Dreiecksgiebel, die mit Kugeln, Vasen, Cherubim, heraldischen und militärischen Attributen und Masken der Commedia dell’arte geschmückt sind. Auch der Dachgiebel und die großen Schornsteine sind derartig verziert. Bei den Änderungen, die 1735 bis 1757 an den Fenstern des Erdgeschosses vorgenommen wurden, wurden deren Verzierungen entfernt und dafür Eisengitter angebracht. Über dem Eingang wurden im 19. Jahrhundert die Wappen der Familien Montmorency-Laval und Béthune-Charost modelliert. Das Wappen des Erbauers findet sich am Dachgiebel der Ostfassade.

Der Treppenaufgang im Inneren des Schlosses ist nach oben hin verjüngt und vermittelt deshalb den Eindruck großer Höhe. Der Salon besitzt verzierte eichene Wandverkleidungen, die Gonzague de Maistre (1873-1936) nach dem Vorbild von Wandverkleidungen im Schloss Versailles gestalten ließ. Heute befinden sich im Esszimmer, der Bibliothek und einigen anderen Räume, antike Möbel und die Sammlungen des Bucheinbandmuseums.

Grünflächen
Von den Gärten, die gleichzeitig mit dem Schloss eingerichtet wurden, existieren nur noch die Statuen. Einige der Statuen haben allerdings durch Restaurationsarbeiten ihren ursprünglichen Ausdruck verloren. Die ursprünglichen Gärten waren von Jean-Baptiste de la Quintinie (1624–1688) gestaltet worden, der auch den Potager du Roi, den Gemüsegarten des Königs, in Versailles entworfen hat.[5] Die ursprünglichen barocken Gartenanlagen enthielten einen Gemüsegarten links, Lustgärten und Obstbäume rechts vom Schloss (vom Eingang aus gesehen). Es gab außerdem ein Labyrinth. Der heutige „Garten der vier Jahreszeiten“ zwischen dem Wassergraben und dem Ehrenhof wurde im 19. Jahrhundert als „Garten der Madame“ angelegt, allerdings gab es darin zu jener Zeit Bäume.

1927 wurden die Bäume gefällt, Rasen gepflanzt und ein Brunnen angelegt. Das Schloss ist umgeben von einem großen Wassergraben, der an der Vorderseite des Schlosses über eine Brücke mit dem Ehrenhof verbunden ist. Die ursprüngliche Terrasse war nur 23 Meter breit und 4,5 Meter lang gewesen, wurde im 18. Jahrhundert aber vergrößert. Jean Furstenberg und seine Frau richteten kleine abgeschlossene Gärten im Stil eines Klostergarten an einer Seite des Ehrenhofs ein. Sie leiten zum sogenannten „Halbmond“ weiter, einem Barockgarten mit Broderieparterre.

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Literatur
1. Bertrand Jestaz: Le Château de Beaumesnil. In: Congrès archéologique de France. 138, Société Française d’Archéologie, 1984, S. 191-217. (französisch)
2. Jean Furstenberg: Architecture et chronique du Château de Beaumesnil. Picard, 1970. (französisch)
3. Auguste Bouillet: Le Chateau de Beaumesnil (Eure): histoire et description. H. Delesques, Caen 1890. (französisch)
4. Henri Quevilly: Histoire de Beaumesnil. Nachdruck der Originalausgabe von 1873 Auflage. Res Universis, Paris 1989, ISBN 9782877601863. (französisch)
1974 erwarb Otto Schäfer von dem ihm freundschaftlich verbundenen Bibliophilen Jean Furstenberg (Hans Fürstenberg) dessen Sammlung französischer Illustrata des 18. Jhs mit ca. 660 Titeln. Diese Bibliothek wurde nicht der Sammlung illustrierter Bücher einverleibt, sondern separat aufgestellt. Sie dürfte damals die bedeutendste derartige Sammlung in deutschem Privatbesitz gewesen sein und setzte einen neuen Schwerpunkt, auch wenn ergänzende Ankäufe in die Illustrata-Sammlung eingestellt wurden.“